Geliebte Poesie

 

Die erste, nicht formvollendete Fassung ...


Sie war so ein wildes Ding.
Als Knabe liebte ich sie schon.
Wenn ich sie beim Träumen fing,
War ihr zarter Kuss mein Lohn.

Auch später liebte ich sie heiß.
In den Nächten meiner Jugendzeit,
Da saß sie neben mir und leis
Sang sie mir Lieder voller Ewigkeit.

Geliebte Poesie!

Als ich älter wurde, und die Welt so weit,
Wollt’ ich mit ihr zieh’n, ganz ohne Sorgen.
Da kam ein dickes Mädchen namens Sicherheit
Und sagte: „Ach, mein Kleiner, denk an morgen!

Häng’ nicht an diesem flüchtig leichten Traum,
Den Luftschlössern der kleinen Poesie,
Du spürst ihn jetzt noch kaum
Den kalten Wind des Lebens, aber weh …

‚Geliebte Poesie!’

So singst du jetzt. Doch was wird morgen sein?
Kannst du euch beide so ernähren?
Mit Liedern und mit Träumereien …
Die unbeschwerte Zeit, sie wird nicht ewig währen.

Drum hör auf meinen Rat, hör mir gut zu:
Bald lässt die Jugend dich im Stich.
Dann sehnst du dich nach Sicherheit, nach Ruh.
Sorge jetzt vor, nimm lieber mich!“

Geliebte Poesie!

Ich weiß nicht mehr, wie es kam,
Dass ich dich verraten hab,
Und Sicherheit zur Gattin nahm.
Wir sah’n uns nur noch an und ab.

Ja, manchmal sah ich dich ganz in der Ferne.
Traurig sahst du aus, und zart.
Ich hatte dich noch immer gerne.
„Doch das Leben, es ist hart,

Für die geliebte Poesie

Da ist in dieser Welt kein Platz.“
So sagt ich mir.
Und Sicherheit, sie war mein Schatz.
Und innerlich fühlt’ ich mich leer.

Und die Jahre gingen schnell vorbei,
An der Seite meiner Sicherheit.
Ich war nicht froh, ich war nicht frei,
Und die Welt war nicht mehr weit.

Geliebte Poesie,

Sie wurde enger jedes Jahr,
Bis für dich gar kein Raum mehr blieb,
Und ich dir immer ferner war,
Doch immer noch hatt’ ich dich lieb.

Die Wahrheit ist, ich konnt’ dich nicht vergessen.
Vor Kummer wurd’ ich schließlich krank.
Die Sicherheit hat nie mein Herz besessen.
War es zu spät, als ich mir’s eingestand?

Geliebte Poesie!

Als ich dich wieder sah, nach all den Jahren,
Von Angesicht zu Angesicht, wie einst als Kind,
Da ist es wie der Blitz in mich gefahren:
Nur du, nur du, du bist für mich bestimmt!

Und Sicherheit, ich sagte ihr Ade.
Und fühlte mich gleich wie ein Vogel frei.
Doch ja, es tat ein wenig weh.
Ich war nur noch ein Niemand, aber einerlei.

Geliebte Poesie!

Und ich fiel vor dir auf die Knie.
- War ich noch bei Verstand? -
Nahm deine Füße, küsste sie,
Und hielt an um deine Hand.

Und als wir uns vermählten,
Da strahlte, ach, da strahlte dein Gesicht!
Und was deine Augen mir erzählten,
Das goss ich gleich in ein Gedicht.

Geliebte Poesie!

Ich hab’ sie nicht vermisst.
Wen interessiert schon schnöde Sicherheit,
Wenn dich die Muse auf die Stirne küsst,
Und deiner Seele Flügel leiht?

Ich fliege jeden Tag auf deiner Lieder Schwingen.
Von deinen Küssen nähr ich mich.
Oh Poesie, oh Poesie, oh lass mich immer für dich singen!
Oh Poesie, oh Poesie, ich liebe dich!