Der menschgewordene Engel



Warum, warum nur kam ich auf die Erde?
Ich, der ich Freude kannte nur und Seligkeit.
Damit ich so wie all die armen Menschen werde?
Wenn ich das denke, wünsch' ich mir, ich wäre weit.

Ich lebte einst in einem Schloss aus Edelstein und Licht,
Von Gott nur einen Flügelschlag entfernt.
Jetzt seh' im Spiegel ich ein menschliches Gesicht,
Und das Fliegen habe ich verlernt.

In diese Welt, wo tausend Qualen
Uns zermahlen und zermürben und zerreiben,
Kam ich nur, um zu leiden.

In diese Welt, in der die Menschen sinnlos
Sich begehren und verzehren und bekriegen,
Kam ich nur, um zu lieben.

Doch manchmal, wenn das Licht so ist,
Auf hohen Türmen oder weiten Stiegen,
Und wenn der Morgen mich wie Lächeln grüßt,

Und all die alten Häuser wie geliebte Blumen küsst,
Dann scheint mir das zum Leben fast schon zu genügen,
Und dann fühl' ich mich froh, als könnt ich wieder fliegen.

 

Aus der Gedichtsammlung „Du allein bist mein Gesang“